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Das Studentencafé, in das ich nie gehen konnte

In einer meiner Studentenstädte gab es dieses kleine hübsche Café. Ich mochte es sehr. Es sah gemütlich aus. Die Einrichtung war hell. Und ein kleines bisschen bunt. Aber nicht zu viel. Auch das Licht mochte ich. Das Café erinnerte mich an Skandinavien. Es war ein bisschen Skandinavien für zu Hause.

Jeden Mittwoch ging ich daran vorbei. Auf dem Hinweg und auf dem Rückweg von meinen Vorlesungen. Unzählige Male hatte ich mir vorgenommen, in das Café hineinzugehen. Ich wollte nicht immer nur Blicke durch die Fenster werfen. Ich wollte dort auch mit einem Laptop sitzen und tippen. Einen Kaffee hätte ich mir bestellt. Vielleicht hätte ich mit meinen Kopfhörern leise Musik gehört. Vielleicht hätte ich aber auch nur meiner Umgebung gelauscht. Ich wollte eine Studentin sein.

Kein einziges Mal war ich in dem Café. Es war mir zu eng. Das Café war klein. Deshalb standen die Tische sehr nah beieinander. Meistens war es voll. Es hätte passieren können, dass es keinen Platz gab. Oder ich hätte fragen müssen, ob an größeren Tischen noch ein Platz frei war. Dann wäre ich vielleicht in ein Gespräch gekommen und das war nur in meinen Vorstellungen gut. Vielleicht hätte ich es so planen können, dass ich einen Moment erwische, in dem nicht viel los war. Das wäre sicherlich möglich gewesen und wenn ich diejenige war, die schon mal saß, war es nicht mehr so schlimm. Von außen war allerdings nicht alles einsehbar. Wie funktionierte es da drin? Gab es eine Karte am Platz? Bestellte man am Tresen? Deshalb war es unmöglich.

Heute sind andere Momente schöner

Es hat lange gedauert bis ich akzeptieren konnte, dass ich nicht in dieses Café gehen muss. Dass ich Dinge, die ich nicht kann, oft zu hoch einordne und sie dann überdimensional wichtig werden. So, als gebe es nur das, damit es schön ist und all die schönen anderen Orte, an denen ich mit dem Laptop saß und schreiben konnte, weniger schön waren. Aber das ist nicht so. Im Gegenteil. Ich war zum Beispiel mit meiner Masterarbeit im Winter in dem tollen Haus am Lieblingsmeer. Und immer, wenn ich wollte, konnte ich mir den Kopf vom Wind freipusten lassen. Die roten Tulpen, die gerade neben mir stehen, während ich schreibe, mag ich auch sehr gern. Das sind meine und die stehen hier für mich. Oder das Café in Norwegen mochte ich, auch wenn ich weit davon entfernt war, es so zu haben, wie es in meinem Kopf aussah. Natürlich inklusive mutistischem Selbsthass. Ich mochte es aber, weil ich etwas anderes gefunden hatte, an das ich mich heute mit einem schönen Gefühl erinnere.

Ich bin dankbar, dass ich das mittlerweile so sehen kann. Dankbar, jeden Tag etwas Schönes zu finden, damit ich nicht irgendwelchen Hirngespinsten hinterherrennen muss, nur weil ich es nicht kann. Natürlich sind Pläne und Ziele wichtig. Aber es kommt eben nicht darauf an, es exakt so umsetzen zu müssen wie es im Kopf ist. Es gibt so viele Möglichkeiten. So unzählig viele kleine, die auch schön sind.

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