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Warum selektiver Mutismus keine Sprachverweigerung ist

Mich als Betroffene macht es wütend, wenn man selektiven Mutismus mit dem Wort „Sprachverweigerung“ beschreibt. Sehr wütend. Vor allem, wenn Therapeuten dieses unsägliche Wort in den Mund nehmen. Also Menschen, die es besser verstehen müssten. Vielleicht ein bisschen zu wütend. Denn dieses dumme Wort „Verweigerung“ kann Betroffenen im Grunde das Leben zusätzlich schwer machen. Sehr schwer. Es kann so viel anrichten, indem es Missverständnisse schürt. Es ist schlichtweg falsch, bei Mutismus von einer Verweigerung zu sprechen.

Verweigerung ist eine Entscheidung

Etwas verweigern ist eine Entscheidung, die man trifft. Man verweigert etwas, weil es den Prinzipien nicht entspricht. Oder weil man schlichtweg keine Lust darauf hat. Bei einer Sprachverweigerung, w i l l man also in dem Moment nicht sprechen.

Aber wer denkt sich denn bitte freiwillig aus, ins Schweigen zu verfallen, wenn man etwas gefragt wird und alle starren einen an? Im Einzelfall mag das vielleicht manchmal ganz angenehm sein, sollte man dann umsorgt werden (Krankheitsgewinn). Aber im Alltag hört das sehr schnell auf. Wenn man als Betroffene also zum Beispiel beim Arzt sitzt, die Situation nicht mehr passt und man auf eine Frage eben nicht mehr antworten kann, ist das sehr schnell weniger witzig. Es ist ehrlich gesagt sogar eine ziemliche Blamage. Gleiches gilt für Kinder in der Schule. Es ergibt keinen Sinn, wegen nicht vorhandener mündlicher Mitarbeit ein schlechtes Zeugnis zu w o l l e n.

Selektiver Mutismus: nicht sprechen können

Mutisten k ö n n e n nicht sprechen. Das klingt wenig nachvollziehbar, weil sie es ja im Prinzip doch können. Aber so ist es. Das ist ein kleines bisschen wie jemandem mit einer Lähmung zu sagen, er verweigert Bewegung. Man sieht im ersten Moment nicht, warum sich derjenige nicht bewegen kann. Es ist äußerlich absolut nicht nachvollziehbar. Beine und Arme sind ja schließlich vorhanden.

Da wir aber nicht anno dazumal haben, ist eine Lähmung bekannt und akzeptiert. Und genau deshalb wäre es großartig, das Wort „Sprachverweigerung“ beim Thema Mutismus zu streichen. Um es richtig zu verstehen, weil wir eben nicht anno dazumal haben und psychische Beeinträchtigungen wichtig werden müssen.

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